Zeitzeugen Interview

mit Arthur Schweizer und Eberhard Koch

Herr Schweizer, Sie haben 1971 in der Liste „Mit vereinten Kräften“ für den Gemeinderat kandidiert und sind gewählt worden. Sie hatten 2 Kinder, waren verheiratet und gaben als Hobby: Sport, Wandern und Gesang an. Wie haben Sie die Eingemeindung von St. Ulrich erlebt?

Da ich als Postbote schon seit 1963 in St. Ulrich unterwegs war kannte ich dort jeden. Bürgermeister Buchholz war eine Respektsperson und visionär. Er hat die Notwendigkeiten und Vorteile gesehen, so dass die „Zwangsheirat“ für ihn und uns eine glückliche und gütliche Lösung war. Alle Gemeinderäte aus St. Ulrich wie aus Bollschweil waren dafür. Es war unproblematisch.

Haben Sie ein besonderes Erlebnis aus dieser Zeit Herr Schweizer?

Als Postbote habe ich meine schönste Zeit oben in St. Ulrich gehabt. Wir haben uns alle sehr gut verstanden. Als Postbote wusste ich ja genau, wo wer arbeitet, welche Sorgen oder Freuden im Haus waren. Die Situation war ja auch noch ganz anders als heute. Es gab noch kaum Autos, die St. Ulricher mussten nach Bollschweil laufen, wenn sie ihre Rente vom Postamt holen wollten. Da war ich dann natürlich gern da. Wir haben einen Treffpunkt ausgemacht, der vom Postamt nicht einsehbar war. Dort habe ich dann alle, die mitwollten, in meinen VW-Käfer geladen, den ich als Postbote hatte. Wir haben uns immer unterstützt wo es nur ging.
So hatte ich oft auch die Information, wo der Haustürschlüssel ist, um die Post auch bei schlechtem Wetter reinlegen zu können oder wenn niemand da war und um mir mein Glas Milch abzuholen. Nach meinem Herzinfarkt bekam ich ein Glas Milch von einer St. Ulricherin „verordnet“, welches ich jeden Tag trinken musste – egal ob sie da war oder nicht. „Artur, das trinkst du jetzt jeden Tag, das wird dir gut tun“. Schmunzelt (Anmerkung)
Ja – mit den „alten“ St. Ulrichern stimmte alles. Wir hatten ein vertrauensvolles Miteinander. Da war es schlüssig, dass wir eine Gemeinde werden

Arthur Schweizer

Herr Koch, Sie sind schon früh in dem Familienbetrieb von W. + K. Koch KG Bauunternehmen in Merzhausen in die Geschäftsführung eingestiegen und haben zusätzlich zur Familie über 18 Jahre im Gemeinderat die Gemeindearbeit ehrenamtlich unterstützt. Chapeau! Auch Sie ließen sich über die Liste „mit vereinten Kräften“ aufstellen. Wie erlebten Sie die Gemeindereform und damit die Zusammenlegung der beiden Gemeinden?

Durch den Familienbetrieb und die Jagd hatte ich gute Kontakte in der Region und darüber hinaus sowie ein unternehmerisches Denken, was mir auch im Gemeinderat und Gutachterausschuss, dem ich 10 Jahre vorstand, gut tat. Wir haben nie einen Unterschied zwischen Bollschweil und St. Ulrich in unseren Entscheidungen gemacht. Wir sind und waren ja auch ein unpolitischer Gemeinderat, dem es immer um die Sache an sich ging. Es war immer die Frage: was macht Sinn? Denn man kann es nie allen recht machen! Wir haben uns gegenseitig wohlwollend unterstützt.

Es geht nicht gut nebeneinander und schon gar nicht gegeneinander, es geht nur miteinander!

Gern denke ich an die Sitzungen und Feiern im Rössle zurück. Durch die freiwillige Eingliederung von St. Ulrich haben wir gemeinsam den größtmöglichen Gewinn aus der Notwendigkeit eines Zusammenschlusses gezogen. Bollschweil konnte mit St. Ulrich selbstständig bleiben und mit eigenem Bürgermeister und einem Gemeinderat, in dem jeder das tun sollte, von dem er etwas versteht. Ich habe immer gern Verantwortung getragen und das Ehrenamt in der Gemeinde mit Dankbarkeit und Demut erfüllt. Bis heute habe ich enge Kontakte nach St. Ulrich und sehr positive und dankbare Erinnerungen an diese Zeit.

Eberhard Koch

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